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Lebt ihr gewaltfreie Erziehung?
Am 02.10. war internationaler Tag der Gewaltlosigkeit. Wusstest Du, dass im BGB Folgendes über Gewalt an Kindern steht:
“Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.” (§ 1631 Abs. 2)
Bei körperlicher Gewalt ist wohl jedem klar, dass sie schadet und nicht angewandt werden darf. Und damit ist jede Art von körperlicher Gewalt gemeint, auch eine Ohrfeige oder ein Klaps sind strafbar (wie hoffentlich jeder heutzutage weiß!).
Was aber vielleicht nicht überall verbreitet ist, ist das Wissen über emotionale Gewalt. Also über Maßnahmen, die Kindern psychische Schäden zufügen: z.B. sie ohne Trost schreien zu lassen, sie zu erniedrigen, einzuschüchtern, abzuwerten, zu verspotten, verhöhnen, einzuschüchtern oder die Beziehung zu ihnen zeitweise abzubrechen.
Denn all das hinterlässt Narben in der Psyche und wirkt sich negativ aus auf die psychische Gesundheit und die Hirnentwicklung. Hier sind ein paar Beispiele dafür und Erklärungen wie es schadet:
Schreien lassen ohne Trost
Es gibt sogenannte „Schlafprogramme“, in denen Kinder jeweils eine bestimmte Zeit lang allein im Bett schreien sollen ohne von Bezugspersonen getröstet zu werden. Wenn die Kinder irgendwann aufgeben, wird das als “Erfolg” gefeiert. Das Schlimme ist aber: es ist ein wirkliches Aufgeben. Mit dem Effekt, dass das Kind gelernt hat „ich bin allein und hilflos, denn niemand ist für mich da und hilft mir“, weil es erfährt, dass es sich nicht lohnt, nach Unterstützung zu rufen. Es lernt so, dass es sich nicht auf seine Bezugspersonen verlassen kann (denn es wird von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes verlassen). Dadurch kann das für die psychische Entwicklung so wichtige Urvertrauen geschädigt werden. Wenn das Gehirn so überfordert ist mit dieser überwältigenden Situation, reagiert es im Grunde wie ein Computer, der sich vor Überlastung einfach aus schaltet. Solche Stresszustände, in denen das Gehirn völlig überfordert ist, hinterlassen (vor allem, wenn sie sehr intensiv sind und häufiger vorkommen) bleibende Schäden im Gehirn wie Studien an Kindern zeigen, die traumatisierenden Situationen ausgesetzt waren. Auch die Stressverarbeitung im Körper kann durch traumatisierende Ereignisse dauerhaft zum Negativen verändert werden (siehe z.B. Wettig, 2006*). Hierbei zeigen sich z.B. auch negative Auswirkungen fürs Lernen usw.
Erniedrigen und abwerten
Mit Worten runter machen: „Du bist aber auch für nichts gut…“, „Du kannst aber auch nichts…“, „Immer machst Du alles falsch…“, „War ja klar, dass Du es nicht schaffst…“, „Bist Du dumm oder was?“. Solche Worte schädigen das Selbstbewusstsein und sorgen dafür, dass sich das Kind immer weniger zutraut. Auch Lernprobleme können dadurch entstehen, wenn das Kind selbst glaubt nichts zu können und es daher gar nicht probiert, so dass ihm Erfolgserlebnisse fehlen und es weniger ausdauernd ist bei schwierigen Aufgaben.
Verspotten und verhöhnen
„Du benimmst Dich wie ein Baby“, „Wenn X das sehen würde, würde er sich über Dich kaputt lachen“, „Wie lächerlich Du Dich benimmst…“. Auch solche Worte schädigen das Selbstbewusstsein und sorgen dafür, dass das Kind bloß gestellt wird und sich klein und wertlos vorkommt.
Drohen und einschüchtern
„Wenn Du X nicht tust, dann kommt Y und dann wirst Du schon sehen was Du davon hast…“, „…dann holt Dich die Polizei / das Monster unterm Bett…“, „Wenn Du nicht kommst, dann gehe ich und lass Dich hier allein”, “Wenn Du…, dann kommst Du ins Gefängnis”, “… dann bin ich nicht mehr Deine Mama…”
Solche Aussagen können dazu führen, dass das Kind Ängste entwickelt und sich unsicher fühlt bis hin zur Panik (siehe unten). Kinder verstehen Ironie und Sarkasmus erst recht spät. Davor denken sie, dass das wahr ist, was wir ihnen erzählen. Eine Aussage, die uns Erwachsenen nicht so schlimm erscheint, kann bei Kindern daher unter Umständen schlimme Ängste auslösen.
(Zeitweiser) Beziehungsabbruch
Weggehen, anschweigen, ignorieren, längere Zeit nicht mit dem Kind sprechen und nicht antworten, weil man selbst beleidigt oder sauer ist… Durch solch ein Verhalten fühlt das Kind sich wertlos und ungeliebt. Es lernt dadurch nicht, wie Konflikte gelöst werden können.
All diese Verhaltensweisen und Aussagen sorgen dafür, dass das Kind sich unsicher, gestresst und ängstlich fühlt. Dass seine Würde leidet (=entwürdigend, wie in der BGB-Definition).
Unter Stress- und Angsteinfluss kann sich ein kindliches Gehirn nicht optimal entwickeln. Dann beschäftigt sich das Gehirn ständig mit möglichen Gefahren und mit der Angst. Dadurch werden viele Ressourcen (Energie und Aufmerksamkeit) in Anspruch genommen, die dann für wichtige Entwicklungsprozesse gerade nicht zur Verfügung stehen. Für das Gehirn ist Überleben wichtiger als alles andere.
„Mir hat es auch nicht geschadet“
NEIN! „Mir hat es auch nicht geschadet” ist kein Argument für solche Verhaltensweisen! Viele Menschen, die solche Aussagen und Verhaltensweisen von Bezugspersonen erlebt haben, sind sich der eigenen Schäden nicht bewusst, auch wenn sie da sind. Sie kennen es ja nicht anders.
Du hast nun bis hier gelesen und weißt es besser. Du weißt nun, wie Kinder geschädigt werden durch solche Verhaltensweisen und Aussagen. Wir leben heute mit einem ganz anderen Wissen als unsere Eltern früher. Früher wussten es viele Eltern nicht besser und haben oft entweder das fortgeführt, was sie von ihren Eltern gelernt hatten oder das genaue Gegenteil dazu angestrebt. Aber heutzutage steht uns eine Fülle an wissenschaftlich fundiertem Wissen zur Verfügung.
Ich denke, die meisten Eltern wünschen sich selbstbewusste, innerlich gestärkte Kinder. Wir wissen mittlerweile, dass es dem kindlichen Gehirn schadet, wenn es häufig oder stark unter Stress steht. Warum sollten wir uns unseren Kindern gegenüber dann so verhalten wollen, dass sie gestresst und ängstlich sind und ihr Selbstbewusstsein leidet? Durch das Wissen über diese Zusammenhänge hast Du die Möglichkeit, sowas in Zukunft zu vermeiden und auch anderen dieses Wissen zukommen zu lassen (Großeltern, Erzieher…).
Ein Tipp zum Ausprobieren
(Triggerwarnung: bitte mache diese Übung nicht, wenn Du als Kind unter körperlicher oder emotionaler Gewalt gelitten hast! Dann solltest Du Dich nicht allein ohne therapeutische Unterstützung in solch eine Situation hinein versetzen!):
Such Dir einen der Punkte aus, den Du selbst erlebt hast als Kind und den Du nun im Umgang mit Deinem Kind als „nicht so schlimm“ ansiehst.
Stell Dir nun möglichst anschaulich vor, dass Du wieder Kind bist und dass das zu Dir gesagt wird oder jemand sich Dir gegenüber so verhält.
Vielleicht erinnerst Du dich sogar noch an eine solche Situation? Wie fühlst Du Dich? Kannst Du genau beschreiben, wie es sich im Körper anfühlt (z.B. ein Druckgefühl, Ziehen, Stechen, in der Brust, im Kopf…) und welche Gefühle Du fühlst?
Falls es Dir schwer fällt, Deine Gefühle zu fühlen und zu beschreiben, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass Dir eventuell der Zugang zu Deinen Gefühlen schwer fällt (was darauf hin deuten könnte, dass Du nicht gelernt hast, Deine Gefühle zu verarbeiten, sondern sie eher verdrängst).
Denn leider war auch das Wissen darüber, wie wir unsere Gefühle verarbeiten können statt sie zu verdrängen, in unserer Elterngeneration noch nicht verbreitet. Und Gefühlsregulation lernen Kinder von ihren Eltern. Also haben wir es von unseren Eltern gelernt und unsere Kinder lernen es wiederum von uns.
Wenn Du lernen möchtest, wie Du Deinem Kind bei seinen Gefühlen (Wut, Angst, Frustration, Eifersucht, Traurigkeit) hilfst, mit Strategien je nach Alter des Kindes, dann nutze gern meinen 4-Schritte-Plan, mit dem Du selbst jederzeit die für euch gerade passende Strategie entwickeln kannst (denn es gibt kein Patentrezept!). Den 4-Schritte-Plan findest Du in meinem großen Gefühlskurs:
https://liebeundhirn.myelopage.com/s/LiebeUndHirn/neues-komplettpaket-videokurs-plus-audiopaket-aller-videokurs-inhalte-als-mp3-zum-download
Damit Du weißt, in welchem Alter Du Deinem Kind wie am besten helfen kannst. Dass der Kurs Dir dabei hilft, zeigt das Feedback einer Teilnehmerin:
“Vielen Dank für die aufschlussreiche altersbezogene Entwicklung. Ich habe bisher meinen Kindern viel mehr und früher zugeschrieben und muss hier mein Verhalten anpassen.”
Denn unsere Kinder sollen nicht nur überleben, sie sollen sich nach ihren Möglichkeiten entfalten dürfen!
Dieses Recht ist gesetzlich fest geschrieben, also lass uns dafür sorgen, dass unsere Kinder und so viele Kinder wie möglich ohne Gewalt
aufwachsen dürfen und lernen, ihre Gefühle zu verarbeiten.
Alles Liebe!
Daniela
Quellenangaben:
Wettig, J. Eltern-Kind-Bindung: Kindheit bestimmt das Leben. Dtsch Arztebl 2006; 103(36): A 2298–2301
BGB, § 1631 Abs. 2
Schönen guten Morgen Frau Galashan,
der Link zur Gewaltfreien Kommunikation funktioniert leider nicht. Es erscheint ein Fehler…..
Herzliche Grüße
Klaudia Rudolph
Guten Morgen!
Vielen lieben Dank für die Info!
Nun funktioniert der Link.:-)
Alles Liebe und einen wunderschönen Tag!
Daniela
Ein toller Beitrag den viele Menschen lesen sollte, kenne leider zu viele Menschen die mit schreien oder drohen ihre Kinder einschüchtern, das muss nicht sein.
LG Alisa
Liebe Alisa,
vielen lieben Dank für Deine Rückmeldung!
Ich hoff, dass viele den Beitrag lesen und sich über emotionale Gewalt informieren, damit möglichst viele Kinder gestärkt aufwachsen dürfen.
Alles Liebe!
Daniela